Der Islam gehört ins deutsche Heimatmuseum

Der selbsternannte Leiter des neuen „Heimatmuseums“– ein entlarvender freudscher Fehler auf einer Pressekonferenz -, Horst Seehofer, der bekanntlich auch gleichzeitig das geworden ist, was man früher Bundesinnenminister nannte, zeigt sich kurz nach Amtsantritt von seiner bekannten populistischen Seite, die leider nicht seine beste ist. Seehofer belehrt zur Einstimmung die Historiker, die sich hinter den siebeneinhalb Jahre alten Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff „der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ stellten, und behauptet einfach mal das Gegenteil. Hierauf reagierte dann prompt der AfD-Chef Alexander Gauland so, als hätte man ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen: „Das ist eine uralte AfD-Linie“. In Gaulands Alter (77) kann man schon mal vergessen, dass die AfD selbst noch gar nicht uralt, sondern blutjung ist, sogar so jung, dass sie sich erst drei Jahre nach Wulffs Äußerung erstmalig dazu geäußert haben könnte. Seehofers Auftritt macht das freilich auch nicht besser. Als halbwegs besonnener Mensch kann man nur mit dem Kopf schütteln, wenn man die beiden alten Hobby-Historiker bei ihren Sandkastenspielchen beobachtet.

Natürlich geht es hier in Wirklichkeit nicht um den Wahrheitsgehalt des zur Diskussion stehenden Satzes. Dieser ließe sich auch gar nicht ohne weitere Konkretisierung ermitteln. Geht es um eine Quote der Religionsanhänger? Nach dem Motto, ab einem Anteil von 15, 30 oder 50 Prozent Glaubensanhänger an der Gesamtbevölkerung ist der Satz genehmigt. Da Seehofer gleich hinterher schob, dass die hier lebenden Moslems natürlich zu Deutschland gehörten, entspricht das wahrscheinlich nicht seinen Vorstellungen. Oder ist damit gemeint, dass der Islam noch nicht lange genug eine Rolle unter den in Deutschland praktizierten Religionen spielt? Das könnte durchaus dem Herzen eines vergangenheitsbezogenen Heimatmuseumsdirektors entsprungen sein. Dann gehört – nebenbei bemerkt – die AfD aufgrund ihrer kurzen Lebensgeschichte wohl auch nicht zu Deutschland. Oder geht es schließlich darum, dass man die Grundwerte des Islams im Gegensatz zu denen des Christentums für nicht vereinbar mit den Grundwerten der Bundesrepublik hält? Diese Position gehört wahrscheinlich zur AfD, zu den Unionsparteien aber wohl eher nicht, wo man mittlerweile an eine verfassungskonforme Islamversion glaubt. Sonst hätte Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel nicht umgehend und energisch widersprochen.

Es ist eigentlich nicht nötig, inhaltlich weiter auf die Diskussion einzusteigen. Es wurde in den letzten Jahren von klugen Köpfen alles hierzu gesagt. Unterm Strich ist die Idee der Religionsreinheit einer Nation kaum besser als die Idee von deren Rassenreinheit. Die Geschichte Europas, in dessen Mitte Deutschlands Entstehung ja ebenfalls turbulent war und vielleicht erst seit 1871, dem Gründungsjahr des Deutschen Kaiserreichs, überhaupt als „Nation“ gelten kann, ist von einer ständigen Durchmischung geprägt, genetisch und sprachlich ebenso wie ideologisch und religiös. Das historische Alleinstellungsmerkmal Europas ist Vielfalt auf allen Ebenen. Und Deutschland ist der typischste Vertreter dieses USPs. Selbstverständlich sind wir vom Christentum kulturell geprägt. Doch wir haben es weder erfunden – das war ein Mann aus dem Nahen Osten –, noch zur europäischen Superreligion gemacht – das waren die Römer, die ihrerseits wiederum Einflüsse aus ganz Europa sowie Nordafrika und dem Nahen Osten aufnahmen. Außerdem stand das mittelalterliche Europa immer im Austausch mit islamgeprägten Ländern. Es wäre äußerst töricht, wenn wir auf kulturell „reinen“ Wurzeln bestehen wollten. Doch selbst wenn deutschnationale Chauvinisten im 19. Jahrhundert sowie Nationalsozialisten im Dritten Reich den Fürsten der Cherusker „Hermann“ in romantisch verklärter Weise für ihre Zwecke vereinnahmten, bleibt es eine Tatsache, dass besagter Hermann, dessen germanischer Name übrigens mangels Quellen erfunden ist, seine kulturelle Prägung als Arminius in Rom erhielt, und dass die Germanen keinesfalls Christen waren.

Sachlich betrachtet bleiben bezüglich Seehofers uralten Satzes nur zwei Vermutungen übrig. Erstens versucht er, mit dem Begriff „Heimat“ und der Abgrenzung zum Islam natürlich Wähler zurück zu gewinnen, welche die Unionsparteien an die AfD verloren haben. Dazu kann man ihm nur eine gähnende Einfallslosigkeit bescheinigen und die Vermutung wagen, dass der neue Herr Museumsdirektor zu sehr in der Vergangenheit lebt. Zweitens wollte Seehofer mit seinem Interview für die Bildzeitung wahrscheinlich eine Pressemeldung am Tag der Amtsübergabe an seinen mittlerweile von ihm gehassten Zögling Söder die Aufmerksamkeit auf sich lenken und Söder die Show verderben. Wie armselig ist das denn für einen Bundesminister für Inneres, Bau und Heimat?

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