Das solidarische Grundeinkommen und die Quadratur des Kreises

Der Koalitionsvertrag der neuen GroKo sieht die Errichtung eines „sozialen Arbeitsmarktes“ vor. Und der neue Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant bereits, hierfür in der Legislaturperiode vier Milliarden Euro zu investieren, eine Milliarde Euro pro Jahr. Ziel ist es, 150.000 der insgesamt 850.000 Langzeitarbeitslosen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu bringen. Langzeitarbeitslose – so die Grundidee – könnten dann mit Hilfe von Lohnkostenzuschüssen in der freien Wirtschaft, bei Wohlfahrtsverbänden oder Kommunen arbeiten. Hört sich gut an, oder?

Niemand kann sich über Langzeitarbeitslose freuen, weder diejenigen selbst noch die übrigen Gesellschaftsmitglieder, die sie ohne Gegenleistung finanzieren müssen. Bei jährlichen Bundeshaushalten mit einem neuverschuldungsfreien Gesamtbudget von rund 350 Milliarden Euro, von dem ohnehin schon etwa 40 Prozent an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gehen, sollte uns das doch locker eine lächerliche Milliarde wert sein, oder? Und warum machen wir nicht gleich vier, fünf oder 5,67 Milliarden draus? Dann könnten wir statt 150.000 Langzeitarbeitslose die Langzeitarbeitslosigkeit abschaffen. Mit nur rund 1,5 Prozent des Haushaltsbudgets eine Geisel der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft zur Hölle zu jagen, wäre doch super, oder?

Nein! – Ich meine, es wäre natürlich schon super, aber diese Rechnung geht leider nicht auf. Man wird mit dieser Maßnahme, die im Grunde alten Wein in neuen Schläuchen serviert, abermals nicht viel mehr als Enttäuschungspotenzial produzieren. Natürlich folgt die Beseitigung der Langzeitarbeitslosigkeit keinen arithmetischen Gesetzmäßigkeiten nach obigem Muster. Und das hat seine guten Gründe, die     ein Arbeitsminister auch kennen sollte – nicht zuletzt deshalb, weil er auf langjährige Erfahrungen mit ähnlichen Maßnahmen wie den erst 2012 abgeschafften ABM sowie ein großes fachkundiges Stammpersonal zurückgreifen kann.

Um es kurz zu machen. Marktwirtschaft ist ein System, und nur als solches funktioniert es auch. Der Arbeitsmarkt ist innerhalb dieses Konzeptes zwar ein spezieller Markt, der etwa Verzerrungen durch Sozialabgaben aushalten muss oder auch einen Mindestpreis, sprich einen gesetzlichen Mindestlohn, sinnvoll macht, um selbstgesetzte ethische Standards einzuhalten. Einen willkürlichen Eingriff in den Preismechanismus durch Angebot und Nachfrage verträgt es aber nicht. Was vielleicht gut gemeint ist, führt zum Gegenteil der eigentlichen Absicht. Wirtschaftswissenschaftler haben beispielsweise längst unerwünschte „Mitnahmeeffekte“ identifiziert, die entstehen, wenn Unternehmen die Möglichkeit ausnutzen, eine staatlich geförderte Arbeitskraft anzustellen, obwohl sie durchaus bereit und in der Lage gewesen wären, die Stelle regulär zu besetzen. In solchen durchaus häufig vorkommenden Fällen, hat der Staat und mit ihm der Steuerzahler lediglich Geld an gierige Unternehmen verloren, was alles andere als sozial ist.

Die Hoffnung, dass nach einer großzügigen Einarbeitungszeit, die vom Staat finanziert wird, der Unterstützte das für den ersten Arbeitsmarkt erforderliche Produktivitätsniveau erreicht, kann gewiss bei einem bestimmten Prozentsatz der Betroffenen erfüllt werden und wäre dann für sich betrachtet die Sache auch wert. Doch bilden sich erfahrungsgemäß auch gleichzeitig Blüten auf dem Humus dieses Subventionsbodens, wonach ein Unternehmen nach Ablauf der Subventionsphase lieber wieder auf den nächsten subventionierten Langzeitarbeitslosen zurückgreift, als den schlagartig teuer werdenden als regulären, sozialversicherungspflichtigen Angestellten zu übernehmen.

Ein weiterer schwerwiegender Einwand gegen eine Strategie der Lohnsubventionierung, die nur im nicht klar zu definierenden Einzelfall sinnvoll sein kein, ist, dass hierdurch ein Lohndumping in Gang gesetzt wird. Wenn ein Unternehmen seine Personalkosten durch die Inanspruchnahme von Lohnsubventionen senkt, während andere das nicht tun, wird der Wettbewerb zwischen ihnen verzerrt und allgemein der starke Anreiz gesetzt, die Lohnkosten – wodurch auch immer – ebenfalls zu senken. Natürlich führt auch das nicht zu einer sozial erwünschten Lösung mit weniger Arbeitslosen und zufriedeneren Arbeitnehmern.

Wir müssen endlich lernen, in Systemen zu denken. Wir leben in einer wirtschaftlich sehr erfolgreichen kapitalistischen Markwirtschaft, die nur durch die Einhaltung klarer Prinzipien richtig funktionieren kann. Aber das bedeuten nicht, dass der Staat sich aus allem raushalten sollte. Vielmehr hat er äußerst wichtige Aufgaben, die er unbedingt erfüllen muss, damit ein sozial gerechter Wohlstand entsteht. Eigentlich wissen und predigen alle Politiker, worauf es dabei in erster Linie ankommt: Eine ausgeprägte und zeitgemäße Bildungspolitik. Gerade in einer Zeit, wo der arbeitsfähige Anteil der Bevölkerung schrumpft, nützt es niemandem, wenn wir die Kinder und Jugendlichen der Nation nicht mit einem Höchstmaß an Bildung versorgen und alles unternehmen, dass keiner den Anschluss verliert. Doch hier passiert gemessen an der Bedeutung seit Jahrzehnten fast nichts. Wir müssen begreifen, dass wenn der Zug erst einmal abgefahren ist, man nur noch die Notbremse ziehen kann, um die Zurückgelassenen noch aufzunehmen. Das ist mit Sicherheit für alle die schlechteste Lösung, um voranzukommen.

Wenn man jetzt tolle Begriffe wie „solidarisches Grundeinkommen“ in die Welt setzt, um vielleicht oberflächlich den Eindruck von Innovativität in der Sozialpolitik zu vermitteln, weil das so ähnlich klingt wie das wirklich innovative und diskussionswürdige Konzept des „bedingungslosen Grundeinkommens“, dann kann ich nur sagen: Alles wie gehabt. Die neue GroKo wird es nicht besser machen als die alte, wenn junge Minister nicht bereit sind aus den Fehlern der alten zu lernen.

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