Demokratie und Populismus

Demokratie ist von den altgriechischen Wörtern „demos“, Volk, und „kratos“, Herrschaft, abgeleitet und bedeutet „Herrschaft des Volkes“. Der Begriff Populismus geht auf das lateinische Wort „populus“ zurück, das ebenfalls nichts Anderes als Volk heißt, worunter heute im Allgemeinen die breite Masse gemeint ist und sich auch in Wörtern wie „populär“, „Popart“ oder „Popmusik“ wiederfindet. Der Anhang „ismus“ verweist auf eine entsprechende Geisteshaltung, Ideologie oder Weltanschauung. Man kann Populismus somit als eine an der breiten Bevölkerung ausgerichtete Geisteshaltung verstehen. Hört sich eigentlich nicht schlecht an. Im politischen Sprachgebrauch schwingt allerdings eine klar negative Wertung mit. Man könnte Populismus mit einfachen Worten vielleicht als eine politische Methode bezeichnen, die sich der breiten Masse mit vermeintlich einfachen Wahrheiten anbiedert. Das Ziel dieser Methode liegt gerade in einer Demokratie auf der Hand: Wählerstimmen gewinnen.

Das ganze Problem von Populismus tritt zutage, wenn es nicht um eine legitime Interessenvertretung geht, sondern vor allem um vorgegaukelte Scheinlösungen von Problemen, Verdrängung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder sogar Lügen. Es ist typisch für populistisch agierende Parteien und Politiker, dass sie sich von weniger populistischen meist nicht in den proklamierten Zielen unterscheiden, sondern vielmehr in den Mitteln, diese zu erreichen. Frieden und Wohlstand beispielsweise streben alle an – angeblich auch die Populisten. Doch dass man – wie von diesen gerne proklamiert – sie auf einfache, schnelle und bequeme Weise erreichen kann, ist für gewöhnlich nicht mehr als ein Wunschdenken vieler Bürgerinnen und Bürger. Populisten orientieren sich explizit an diesem utopischen Wunsch und nicht an realistischen Möglichkeiten.

Der Mensch neigt dazu, einfache „Wahrheiten“ zu glauben. Je einfacher die jeweils persönliche Erfahrungswelt ist und je geringer die individuelle Bildung und kognitiven Fähigkeiten von Wählerinnen und Wählern sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass einfache Lösungsvorschläge auf fruchtbaren Boden fallen, selbst dann, wenn die Sachlage weit komplexer ist. Doch starke Vereinfachungen, die Ignoranz gegenüber schwer verständlichen systemischen Zusammenhängen sowie die frechen Behauptungen, es gebe „alternative Wahrheiten“, sind nicht geeignet, Probleme zu lösen, schon gar nicht nachhaltig.

Demokratie ist gewiss der beste Ansatz, Machtkonzentration zu begrenzen, einseitigen Interessen entgegen zu wirken und durch die Abwahl von Regierungen Irrwege zu korrigieren. Doch in Zeiten, in denen die populistische Methode in demokratischen Systemen stetig an Boden gewinnt, ist eine ehrliche und offene Analyse ihrer Ursachen und Gefahren überfällig. Es ist mittlerweile nicht zu übersehen, dass es nicht ausreicht, populistische Politiker zu kritisieren. Die AfD in Deutschland oder Donald Trump in den USA haben gezeigt, dass sie aus den Vorwürfen gegen sie sogar noch Kapital schlagen können, indem sie behaupten, nicht sie persönlich, sondern das Volk werde beschimpft und seine Interessen von einer etablierten Obrigkeit ignoriert. Die Ironie ist, dass sie mit dieser Behauptung in gewisser Weise sogar rechthaben. Schließlich können Lügen nur dann Schaden anrichten, wenn es Menschen gibt, die sie glauben. Die Wählerinnen und Wähler, die den Populisten aufgrund der leeren Versprechungen ihre Stimme geben, werden somit auch zu Tätern. Ihnen deshalb eine echte Schuld zuzusprechen, geht aber zu weit. Das gilt zumindest für denjenigen Teil, der nicht einfach aus Protest jene Parteien stärkt. Den Verhaltensweisen der überzeugten Gefolgschaft muss man allerdings systemisch und mit längerem Zeithorizont begegnen.

Ins Blickfeld gerät hier als erstes die politische Bildung. Sie kommt in der obligatorischen Schuldbildung viel zu kurz. Wer glaubt, dass eine Jugend, die wohlbehütet im Wohlstand aufwächst, jedes Wort in den Internetblasen für bare Münze nimmt und vom Elternhaus keine entsprechende Korrektur erfährt, zu mündigen Staatsbürgern heranwächst, ist naiv oder ignorant. Demokratie fällt nicht wie Manna vom Himmel. Sie muss in jeder Generation bewusst und engagiert verteidigt werden. Das mag nicht leicht zu vermitteln sein. Doch sie ist ein Eckstein für Wohlstand, Freiheit und Frieden. Sie verdient mehr Aufmerksamkeit. Aus der Geschichte lernen, gesellschaftlichen Diskurs als notwendigen Prozess zu begreifen, Respekt vor anderen zu haben, gerechte, allgemeingültige Gesetze zu verstehen und sich an sie zu halten sowie Meinungen nicht mit Fakten und Argumenten zu verwechseln, sind unverzichtbare Grundlagen einer funktionsfähigen Demokratie.

Das zweite Feld ist die Vermeidung einer zu großen Chancenungerechtigkeit. Gleichmacherei ist weder sinnvoll noch erstrebenswert. Jedem Menschen eine Chance zu geben, sich zum eigenen und allgemeinen Wohl in die Gesellschaft bestmöglich einzubringen, ist hingegen ein Leitbild, das man sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit, als auch für den Zusammenhalt einer Gesellschaft immer vor Augen haben sollte. Man wird es zwar niemals schaffen, allen die wirklich gleichen Entwicklungschancen zu bieten. Doch es ist diesbezüglich noch viel Luft nach oben. Hierzu gehört auch die weitgehend tabuisierte Vermögensbesteuerung. In einer Gesellschaft, in der ein kleinerer Teil allein aus einem großen Vermögen jährlich niedrig besteuerte Renditen kassiert, die das Arbeitseinkommen eines Durchschnittsverdieners teils um ein Vielfaches übersteigen, spaltet die Gesellschaft und wirkt einer Chancengerechtigkeit augenscheinlich entgegen.

Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Wir verstehen uns als sogenannte Leistungsgesellschaft. Wer aber auf eine Leistungsgesellschaft pocht, kann nicht gleichzeitig unkritisch für eine Schonung von großen Erbschaften sein. Sie verursachen von Generation zu Generation zum Teil erhebliche Ungleichheiten in den Startchancen und verringern die soziale Mobilität. Diejenigen, die das Glück einer großen Erbschaft haben, starten auf einer ganz anderen Ebene, die sie selbst nicht erklommen haben. Die Bereitschaft, für unsere Demokratie einzutreten, hängt schließlich auch davon ab, inwiefern man sich persönlich darin entfalten kann. Wer von ganz unten starten muss, ist deutlich benachteiligt. Natürlich verbirgt sich hinter der Vererbungslogik ein tief verankertes Bedürfnis, seine Nachfahren zu versorgen. Auch dieses Bedürfnis darf man gewiss nicht außer Acht lassen. Die Forderung nach einer Vermögensbesteuerung stößt deshalb verständlicherweise bei den allermeisten potenziell Betroffenen auf große Widerstände. Aber wir sollten in dieser Angelegenheit vielleicht stärker den Blick auf das Allgemeinwohl und die Hebung der Leistungspotenziale der Nicht-Privilegierten legen. Sofern die generierten Steuereinnahmen in das allgemeine Bildungs- und Erziehungswesen fließen würden, könnte das am Ende allen zu Gute kommen. Nicht zuletzt durch die damit verbundene Stärkung der Demokratie.

Bleiben zum Schluss noch die Unverbesserlichen. Mit ihnen muss wohl bis in alle Ewigkeit jede Gesellschaft leben. Doch sie sollten nicht mehr als Sporen für eine freiheitliche, diskurs- und kompromissbereite Gesellschaft sein. Sich frustriert und schmollend zurückzuziehen und das Feld kampflos den Populisten zu überlassen, deren einziges Ziel ist, Macht zu gewinnen, ist gewiss keine Lösung.

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