Ostern ist der wohl höchste christliche Feiertag. Ohne die Kreuzigung (Freitag) und die Auferstehung (Sonntag) Christi hätte diese Religion in ihrer rund 2000-jährigen Geschichte gewiss nicht diesen Welterfolg erlangt. Die Überwindung des Todes gehört schließlich zu den süßesten und kühnsten Träumen der Menschheit. Und im Falle von Jesus verhält es sich obendrein so, dass er den Tod nicht aus Selbstsucht und Eigennutz besiegt hat, sondern mit unermesslichem Leid zur Rettung der gesamten Menschheit – Hollywood der Antike. Das ist der Stoff, aus dem Helden gemacht werden. In unserer modernen, säkularisierten, medienbeladenen Gesellschaft nennt man das ein „Narrativ“ – eine Erzählung, die den Menschen Sinn und Orientierung verleihen soll.
Die bekannten Botschaften des Oster-Narrativs muss ich wohl hier nicht nochmals erläutern. Was mich stattdessen zu den vorliegenden Zeilen bewegt, ist der Verdacht, dass wir als Gesellschaft nicht auf solche sinnstiftenden Orientierungen verzichten können, mögen wir auch noch so abgeklärt sein. Mit dem Wort „Narrativ“ schleicht sich nun wieder etwas ein, was uns mit dem Rückgang an Gottesgläubigkeit verloren gegangen ist. Im Gewand kapitalistischer Kategorien wie Marketing und Public Relations suchen wir nach neuen Göttern. Wir brauchen Heldengeschichten. Und wir brauchen wohl auch das Gefühl, dass persönliche Opfer spätestens im Paradies mit Glückseligkeit oder 72 Jungfrauen belohnt werden.
Fazit: Man kann Ostern mit bunten Hühnereiern und Schokoladenhasen feiern, ohne ein gläubiger Christ zu sein. Man kann sogar ganz auf eine Feier verzichten und sich schlicht darüber freuen, dass die gesetzlichen Feiertage Kar-Freitag und Ostermontag zwei Arbeitswochen auf jeweils vier Tage verkürzen. Doch wenn irgendetwas an den oben dargelegten Gedanken wahr ist, dann sollten wir uns unabhängig jeglicher Religiosität und Religionszugehörigkeit wieder ernsthafter und offener gegenüber den Inhalten gesellschaftlicher Rituale zeigen. Jesus war jedenfalls eine starke und interessante Persönlichkeit, die – davon bin ich überzeugt – auch heute die Gemüter spalten würde. Für die einen wäre er ein langhaariger Nichtsnutz, für einen anderen ein Visionär.
Frohe Ostern!