Der Widerstand gegen die geplanten Milliardeninvestitionen des US-amerikanischen Technologiekonzerns Tesla im strukturschwachen Brandenburg hat kürzlich durch ein Gerichtsurteil einen Dämpfer bekommen. Der Rodungsstopp in Grünheide wurde wieder aufgehoben. Damit ist das Genehmigungsverfahren allerdings noch nicht beendet. Bürgerinnen und Bürger konnten weitere Einwände gegen das Bauvorhaben erheben. 360 Bedenken seien beim Landesumweltamt eingegangen. Sie betreffen im Wesentlichen die Themen Wasser, Wald, Verkehr und Naturschutz und sollen am 18. März öffentlich erörtert werden. Die endgültige Genehmigung ist für den Sommer geplant. Unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht, kann man schon jetzt Lehren aus dem eigenartigen Fall ziehen.
Umweltzerstörung und Kapitalismus
Die erste Lehre bezieht sich darauf, dass außerparlamentarisch neue Allianzen entstehen. Was einst dem Erhalt der Umwelt galt, paart sich immer häufiger mit antikapitalistischem Aktionismus. Manch Protestler in Grünheide griff dabei auf derbe polemische Beschimpfungen unseres angeblich grundbösen Wirtschaftssystems zurück. Andere verraten ihre systemablehnende Gesinnung mit wenig überzeugenden Argumenten wie, im Tesla-Werk würden doch nur Luxuskarossen für die Reichen hergestellt. Natürlich schadet der Kapitalismus der Umwelt insofern, als dass er deutliche Wohlstandszuwächse und damit einen höheren Konsum ermöglicht hat. Das heißt aber nicht, dass wir gleich das gesamte System abschaffen müssen – schon gar nicht, ohne eine vielversprechende Alternative in der Tasche zu haben. Die Renaissance des Sozialismus kann jedenfalls keine Lösung sein. Dafür gibt es reichlich theoretische Anhaltspunkte wie empirische Beweise. Worauf es jetzt ankommt ist, Konsum und Technologien umweltverträglicher zu machen. Und da liegt nichts näher, als sich die Kraft, die Marktwirtschaft und Kapitalismus innewohnt, zunutze zu machen. Die Aktivisten, denen es alleine um den Schutz der Umwelt geht, müssen hingegen aufpassen, sich nicht vor den falschen Karren spannen zu lassen.
Paradoxer Aktivismus
Die zweite Lehre, die wir aus dem Casus Tesla ziehen können, betrifft innere Widersprüche der Umweltbewegung. Während noch vor kurzem Umweltaktivisten auf Bäume stiegen, um diese vor der klimaschädlichen Kohleindustrie zu schützen, steht im vorliegenden Fall ein Technologieunternehmen am Pranger, das sich immerhin einer umweltfreundlicheren Mobilität verschrieben hat und dabei sogar (zunächst) rote Zahlen in Kauf nimmt. Teslas Investitionen bringen also nicht nur Arbeitsplätze ins strukturschwache Brandenburg, sondern fördern gleichzeitig auch die Verbreitung von Elektroautos, denen zumindest die Politik große Potenziale im Kampf gegen die Erderwärmung einräumt. Ein Paradoxon. Die Grenzen von Freund und Feind der Klimapolitik scheinen zu verschwimmen.
Das Tesla-Paradoxon ist kein Einzelfall. Der Konflikt Flora und Fauna versus Klima – meist ein Konflikt zwischen lokaler und globaler Umweltpolitik – wird auch noch an anderen Stellen ausgetragen. So gehen zum Beispiel Anstrengungen zur Klimarettung nicht automatisch einher mit der Akzeptanz von Windrädern in der Nachbarschaft. Eine Stromtrasse durch bislang unberührte heimatliche Landschaften möchte auch kaum eine Gemeinde hinnehmen. Und die Kabel vollumfänglich unterirdisch zu verlegen, scheint wiederum volkswirtschaftlich nicht tragbar zu sein. Es gibt weitere Paradoxien, etwa in der Diesel-Diskussion, wo man eigentlich NOx– gegen CO2-Emissionen abwägen müsste. Weniger Diesel heißt zwar weniger Stickstoffoxide. Werden Diesel-PKWs aber, wie geschehen, vermehrt durch Benziner ersetzt, steigt dadurch der klimaschädliche CO2-Ausstoß. Und schließlich gehört zu den derzeit augenfälligsten Widersprüchen der Umweltpolitik die Tatsache, dass die angestrebte Elektrisierung der Mobilität eine Ausbeutung seltener Erden zur Folge haben wird und damit neue Rohstoffabhängigkeiten entstehen. Selbst der frühzeitige Ausstieg aus der Atomkraft ist fragwürdig, weil sie sich trotz aller berechtigter Kritik für die Schonung des Klimas weit besser eignet als die Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen, auf welche man umso länger angewiesen sein wird. Atomstrom aus den Nachbarländern zu beziehen, ist aus keiner Perspektive befriedigend. Es werden weitere Paradoxien folgen.
Umweltschutz braucht Kompromisse
Schon die wenigen Beispiele zeigen, dass auch die Umweltproblematik nicht mit einfachen Maßnahmen erledigt werden kann. Der Königsweg der Demokratie führt eben auch bei den nur scheinbar eindeutigen umweltpolitischen Aufgaben über Abwägungen und Kompromisse. Und die besten Kompromisse erreicht man über Debatten, Dialoge und natürlich über eine Diskursethik, die im Kern den Respekt vor den besseren Argumenten anmahnt. Der Erfolg demokratischer Gesellschaften hängt grundsätzlich in hohem Maß davon ab, wie gut es gelingt, rationale Diskussionen zu organisieren, zu führen und am Ende dort Kompromisse zu schließen, wo man sich rein argumentativ nicht weiter annähern kann. Und alle Beteiligten müssen diese Kompromisse dann am Ende auch akzeptieren. Das ist das einzige Verfahren, destruktive Entwicklungen zu vermeiden und notfalls auch ohne inhaltlichen Konsens politisch und wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Auf nationaler wie internationaler Ebene genauso wie in kommunalen Entscheidungsprozessen.
Fazit: Demokratie lebt letztendlich nicht vom Konsens, sondern von Kompromissen. Der einzige Konsens, den eine Demokratie allerdings unbedingt braucht, bezieht sich auf die Spielregeln, wie Entscheidungen zu treffen sind – gerade wenn kein Konsens besteht. Und das gilt, wie wir immer deutlicher wahrnehmen können, auch für die Umweltpolitik. Hier brauchen wir eine bessere und offenere Diskurskultur, die Platz für Kompromisse und Lösungsvielfalt lässt.