Oje, lieber Robert Habeck. Gehörtest Du nicht zu den absolut glaubwürdigen Politikern, die den Bürgern mit großem Respekt begegnen? Aber jetzt bist selbst Du an Deine Grenzen geraten. Vor Deiner fatalen Äußerung auf Twitter hielt man Dich nicht nur für intellektuell und eloquent, sondern Du kamst trotz dieser Eigenschaften auch noch sympathisch rüber. Nicht ohne Grund warst Du 2018 der am meisten geladene Gast in Talkshows und die Hoffnung des deutschen Politikernachwuchses –Produkt und Produzent des allgemeinen Aufschwungs der Grünen. Doch nach Deinem Tweet hat man plötzlich den Eindruck, Dich gar nicht richtig gekannt zu haben. Ist da etwa eine Maske im Twitter-Gewitter gefallen? Ist Dein wahres Gesicht ein ganz anderes? Oder bist Du das bedauernswerte Opfer einer hysterischen Medienwelt?
Du sagst, die Ursache des ganzen Schlamassels war nur ein Versehen, ein winziger Formulierungsfehler, als Du in die Welt zwitschertest, Du wollest alles tun, damit Thüringen ein offenes, freies, demokratisches Land „wird“. Dabei meintest Du doch „bleibt“, „bleibt“! Natürlich stand es nicht in Deiner Absicht, irgendjemanden zu diskreditieren. So bist Du ja nicht, jedenfalls eigentlich. Es muss also etwas mit dem bösen Medium Twitter zu tun haben. Dessen schlechten Einfluss habest Du jahrelang verkannt, obgleich Du schon in letzter Zeit eine Ahnung von dessen Charakter verderbenden Wirkung hattest. Du hast Dich von diesem sexy Format verführen lassen. Das hätte natürlich nicht passieren dürfen. Doch schließlich bist Du auch nur ein Mann. Und welcher Mann kann schon der Versuchung widerstehen, 48.000 Follower (und Followerinnen) auf einen Schlag zu bedienen? Das verstehe ich. Schade nur, dass wir gehofft hatten, Du kämest von einem anderen Stern und stündest über diesen Dingen. Tust Du natürlich nicht. Das hätten wir wissen müssen. Du allerdings auch.
Aber, na gut. Du stehst zwar nicht „über“, aber wenigstens „zu“ Deinen Fehlern und hast dann getan, was ein Mann tun muss. Du hast Dich von den bösen Mächten eiskalt losgesagt und Deine Konten bei den verwerflichen Sozialen Medien Twitter und Facebook nach einer – wie Du berichtest – „schlaflosen Nacht“ fristlos gekündigt. Wow! Damit hast Du es den bösen so genannten „Sozialen“ Medien endlich mal richtig gezeigt. Jetzt kannst Du wieder als ein in sich ruhender Mensch politisch frei aufspielen und lässt Dich nicht mehr länger von der dunklen Seite der Macht locken.
Du sprichst ja in Deinem jüngsten Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ganz offen darüber, wie intensiv Dein Alltag und Wohlgefühl mit Deinen Tweets und deren Feedbacks verbunden waren. Das ist wirklich ehrlich und mutig. Süchtig warst Du selbstverständlich nicht. Sonst hättest Du ja auch nicht so schnell den Absprung geschafft. Die Kritik, die Dir der kleine Versprecher eines einzigen, einsilbigen Wortes eingebrockt hat, ist zwar übertrieben, doch sie hat Dich endlich wachgerüttelt. Am Ende bist Du geradezu dankbar für dieses Missgeschick. Jetzt fährst Du nicht mehr auf der Trump-Schiene, sondern ziehst wieder auf analogen Pfaden in den Wahlkampf, auch wenn Du – wie Du sagst – sehr genau weißt, dass Du damit eine bislang sehr wirkungsvolle Waffe der Grünen aus der Hand gibst und das Medium kampflos der AfD überlässt. Respekt. Das ist ein großes persönliches Opfer, das Du bringst. Aber Du musst die Konsequenzen dieses Verzichts ja nicht alleine tragen, sondern kannst sie gemeinsam mit Deinen Partei-Kollegen ausbaden. Geteiltes Leid tut weniger weh, oder.
Erlaube mir zum Schluss bitte noch eine Frage, die Deine nun reifere Persönlichkeit möglicherweise noch weiter anzuregen vermag: Könnte es vielleicht sein, dass Dein medienwirksamer Abschied von den Sozialen Medien doch mehr mit verletzter Eitelkeit als mit politischer Strategie oder gar mit Selbsterkenntnis zu tun hat? Eine gewisse Entzauberung Deiner frischen Politiker-Persönlichkeit kann man jedenfalls nicht übersehen. Selbsterkenntnis hat eben mehr mit Demut als mit versteckter Schuldzuweisungen zu tun.